Nach einigen Jahren Pause hab ich mir vorgenommen in meinem Blog wieder mal über die Alben und Konzerte des letzten Jahres zu resümieren. Da ich das Schreiben von Rezensionen aber nach wie vor nicht für meine Stärke halte gleich hier der Hinweis: Alles was hier steht ist natürlich extrem subjektiv geprägt – mein Eindruck von Musik hängt auch massiv damit zusammen in welcher Gefühlslage ich mich befunden habe, als sie zum ersten mal den Weg in meinen Gehörgang gefunden hat…
Alben
Das absolut herausragende Top-Album des Jahres 2015 kommt für mich von Sufjan Stevens.
Mit Carrie & Lowell hat er mich in seinen Bann gezogen. Es hat zwar nicht beim ersten Hören gefunkt – aber je öfter mich das Album im Auto begleitet hat, desto mehr setzte es sich bei mir fest. Im Gegensatz zu früheren Sachen von Sufjan ist das Album extrem reduziert. Meist hört man nur seine Gitarre und Stimme – aber das reicht. Manchmal klingt es sogar wie in Carrie & Lowell nach Simon & Garfunkle . Die Lieder in denen sich Sufjan mit seiner Kindheit, seiner vermutlich nicht nur einfachen Beziehung zu seiner depressiven und drogenabhängigen Mutter (Carrie), seinem Stiefvater (Lowell) und schließlich auch mit dem Verlust der Mutter auseinandersetzen sind einfach so ausdrucksstark – es braucht einfach nicht mehr.
Ein Lied das ich einfach mehr in den Vordergrund stellen muss ist Should Have Known Better. Der Song beginnt in Moll und beim hören spürt man wie schwer Selbstvorwürfe auf Sufjan liegen.
Ich hätte das oder jenes besser wissen müssen, besser machen müssen; hier und da besser sein müssen.
Doch anstatt unter diesen Selbstvorwürfen zu zerbrechen kommt am Ende Hoffnung auf: Plötzlich erklingt das Lied in Dur – und wie befreit kann Sufjan feststellen:
Ich hätte es wissen müssen: Nichts kann mehr verändert werden. Die Vergangenheit ist vorüber – eine Brücke ins Nirgedwo.
Diese Erkenntnis befreit. Über vergangenes, was womöglich falsch gelaufen ist zu sinnieren hilft nicht weiter – der Blick sollte in die Zukunft gerichtet werden – dort wartet neues wo alles besser werden kann – wenn man sich nicht endlos im Kreis dreht.
Doch genug geschwafelt: Das tolle ist: Das Album muss man zwar eigentlich kaufen um es zu haben – aber Sufjan bietet es auch auf Soundcloud als Stream an. Und wer nicht gleich in alles reinhören will: Meine Anspieltipps sind Should Have Known Better, das wunderschön todtraurige Fourth of July und Carrie & Lowell.
Bei so schöner Musik wurde ich umso glücklicher als ich feststellte, dass, Sufjan in Berlin spielt. Also ging es eines schönen Mittwoch Abends von Dresden nach Berlin – und nachts wieder zurück – um diese wundervolle Geisterhafte Melancholie zu erleben.
Gut – aber mehr erhofft
Auf Sufjan folgen jetzt einige Alben die zwar gut waren – von denen ich aber ehrlicherweise erhofft hatte, dass sie mich noch mehr in ihren Bann ziehen:
SEA+AIR: Lady Evropi
Ja, ich bin Daniel verfallen seitdem ich als 14-Jähriger mein zweites Noisetys-Konzert erlebt hab. Aber darum soll es hier ja eigentlich nicht gehen. Lady Evropi ist, vielleicht noch mehr als der Vorgänger My Hearts Sick Chord ein etwas sperriges Album. Mit der Genrebezeichnung „Weltmusik“ liegt man mit vermutlich nicht völlig daneben. Damit geht aber auch einher, dass sich die Melodien, anders als beispielsweise wie beim ersten Soloalbum von Daniel Benjamin, nicht sofort im Gehörgang einnisten. Die Stuttgarter Zeitung schrieb passend von Hinhörmusik. DIese Zeit zum Hinhören muss man sich nehmen – aufs erste mal zündet diese Platte nicht. Vor allem sollte man während des hörens das Plattencover zur Hand nehmen und die Geschichte des Albums durchlesen. Angst, Vertreibung, Flucht, Neuanfang, Ungewissheit und Hoffnung – alles gehört dazu zur Geschichte der Lady Evropi.
Lingby: Twist and Turn
Dieses Album ist etwas besonderes für mich. Schließlich hatte ich die Möglichkeit den ein oder anderen Augenblick des Entstehens in den Castle Studios mit zu erleben. Sägende Synthis, tollen Stimmen, Posaune und Waldhorn, schön angezerrte Indie-E-Gitarre, knallendes Schlagzeug. Reinhören! Überrascht hat mich aber doch, dass schon Ende des Jahres eine neue EP (Tired Eyes EP) raus kam. Aber bei Lingby freu ich mich auch über einen leicht erhöhten Output – und ich mag ja auch die vielen kleinen EPs die immer wieder den aktuellen musikalischen Zwischenstand darstellen.
mewithoutYou: Pale Horses
mewithoutYou haben es nicht einfach bei mir. Das Album It’s All Crazy! It’s All False! It’s All a Dream! It’s Alright! hat es ja schon 2009 und 2010 in meine Top-Alben-Liste geschaft. Es gehört mit Sicherheit zu meinen All-Time-Favourite-Alben – und jedes mal wenn mewithoutYou jetzt was neues veröffentlichen muss sich das neue an diesem Album messen. Und ja , auch Pale Horses schafft es ebensowenig wie der Vorgänger Ten Stories mich so voll und ganz zu in den Bann zu ziehen. Trotzdem bleibt es ein gutes Album. Es hat Energie, Aaron singt, flüstert, schreit und rastet aus – aber so folkig wie It’s All Crazy… ist es hald nicht.
#setlist #mewithoutYou #SpringFling (Thank you, Christian. If you read this pls contact me!) pls RT @mewithoutYou pic.twitter.com/E1wBuAoefe
— Langhaarschneider (@langhaarschneid) 16. Mai 2015
Dafür hatte ich 2015 die Möglichkeit mewithoutYou in Cleveland im Agora Theatre live zu sehen – was sehr schön war. Und schon damals hat mit Bassist Mike verraten, dass es voraussichtlich Anfang 2016 eine Europatour geben wird. Er hat recht behalten. Mein aktueller Plan sieht vor von Dresden aus am 25.01. nach Prag, am 26.01. nach Leipzig und am 31.01. nach Berlin zu fahren. Wer mag mit?
Achja, Christian mit dem ich mich in Cleveland vor dem Konzert so gut unterhalten hab konnte nach einem RT von @mewithoutYou Kontakt mit mir aufnehmen – Social Media ganz praktisch 🙂
Live
Der folgende Block handelt von Bands die ich 2015 live gesehen hab – und die mich dabei überzeugt haben. Die Auswahl ist auch nicht vollständig – es ist das vorhanden, was mir spontan eingefallen ist.
Alex Mayr
Aley Mayr machen schönen Popakademiegeprüften Deutschpop aus Mannheim. Konzert im Schloss Röhrsdorf war schön – und auch die Texte der Gut gegen Böse-EP sind toll. Empfehlung: Einmal bis nach dme ersten Refrain in Nicht aus unsrer Haut reinhören:
The Bronze Medal
Ende März hab ich von Fabian Besuch aus Scharnhausen bekommen. Er hat es zwar dann doch nicht ganz mit dem Fahrrad geschafft – aber wir hatten in Dresden trotzdem eine gute Zeit. Und was macht man mit Fabian in Dresden? Livemusik anschauen. Im Ost-Pol war was nettes angekündigt – also hin und dort der Bronze Medallie gelauscht. Schöner Shoegaze/Indierock aus GB. Am 07.04. kommen sie wieder in den Ostpol – der Termin ist vorgemerkt.
Marcel Brell
Wieder ein schönes Konzert auf Schloss Röhrsdorf, nette Menschen, schöne Musik. Schöne Bilder und mehr Text dazu gibts im Blog vom Schloss.
Drawing Circles
Hm. Wie soll ich das beschreiben, was auf Schloss Röhrsdorf eines schönen Tages da so gehört hat? Handgemachte Post-Hardcore-Singer-Songwriter-Musik vielleicht? Das könnte es treffen. Den Jungs und vor allem dem Sänger hört man an, dass sie früher in anderen Genres unterwegs waren. Und das ist gut! Die Stimme ist einprägsam, die Gitarren tiefer gestimmt,… Meine Empfehlung: Reinhören und gespannt sein was da noch kommt!
Guidebooks
Auf dieses Konzert auf Schloss Röhrsdorf war ich ja besonders gespannt. Paul Wilkinson (alias Paul Pilot) hat vor vielen vielen Jahren schon Plastinka und Spyglasses Into A New World von Noisetoys in Arnos Studio (Jetzt Castle-Studios) produziert. Und Spyglasses… war damals in meiner Teeniezeit eine der Platten die mich durch Höhen und viele Tiefen begleitet hat – umso gespannter war ich den Produzenten dieser Meisterwerke live zu sehen. Was soll ich sagen: Der Abend war der Hammer! Indie-Irgendwas mit Live-E-Gitarren, ein Drumset um ein uralt E-Drum-Set, Synths und viele Samples direkt aus Abelton Live. Tolle Songs – leider war der Abend sehr schlecht besucht… Auf Soundcloud kann man reinhören – aber die Live-Energie kommt leider nicht rüber.
Spätzünder
Und dann folgen da noch zwei Spätzünder. Also Alben/Bands die es schon länger gibt, die bei mir aber aus irgendwelchen im Nachhinein nicht mehr nachvollziehbaren Gründen erst 2015 eingeschlagen sind. Zuerstmal:
Beatsteaks: Beatsteacks
Die CD hab ich nach erscheinen 2014 irgendwie nicht sofort gewürdigt – was ein Fehler war. Dafür hat sie dieses Jahr in meinem Autoradio dauerrotiert. Das passt auch – weil das Album ist einfach ne Runde sache. Alleine wie der erste Track A Real Paradies beginnt – und sich der Kreis mit dem letzten Track wieder schließt. Oder was sich an den Anfang des ersten Tracks anschließt – das bildet mit dem Ende des ersten Tracks eine Einheit. Zwischendurch mal schöner 6/8tel auf-die-fresse-Rock, mal knallende Bässe,… Die schwächste Nummer ist vielleicht zugleich die bekannteste – die Single Gentlemen of the year. Aber so lange der Rest so fetzt ist das zu verkraften 🙂
Leider Hab ich 2015 verpasst sie Live zu sehen – ich war als sie zugunsten von Dresden Nazifrei ein Benefizkonzert gespielt haben in der schwäbischen Heimat. Dann hald dieses Jahr hoffentlich irgendwie irgendwo irgendwann…
Gungor
Ja – hier steht kein konkretes Album. Weil: Ich hab mir dieses Jahr (bis auf eine Ausnahme – das kommt noch) alles zugelegt, was von Gungor veröffentlicht wurde. Ich bin fasziniert von der musikalischen Bandbreite die Gungor bespielen. Im aktuellen Album elektronischer Radiopop (der sogar mir größtenteils gefällt!) – in älteren Alben schaffen sie es Songs mit Gothic-Rock, Blues und Singer-Songwriter-Anleihen auf einem Album zu vereinen – ohne dass es irgendwie falsch wirkt. Unbedingt reinhören!
Anmerkung zum Schluss
Soundcloud
Wer nicht nur am Jahresende wissen mag was mich musikalisch so umtreibt, dem möchte ich auch noch meinen Soundcloud-Account empfehlen. Dort like und teile ich alles was mir dort so über den Weg läuft was spontan geteilt werden will ohne dass ich darüber nachdenke, ob es die Musik auch in den Jahresrückblick schafft.
Some Things Never Change…
Wieder mal bin ich gespannt auf das, was Sarah Brendel hoffentlich bald veröffentlichen wird.
Zur Jahresrückblicks-Serie
Inzwischen höre ich doch auch gerne wieder Vinyl-Scheiben. Deshalb wird diese Artikelserie nicht mehr unter „Top-CD’s “ – sondern in Zukunft unter „Musik-Rückblick “ weitergeführt. Schließlich schreib ich hier auch über Konzerte und EPs.
War eine sehr coole zeit in Dresden, nächstes mal muss ich mir mehr zeit nehmen, gibt sehr viel zu entdecken dort 🙂
Grüße aus Australien
Klingt gut! Gungor hab ich auch für mich entdeckt, wunderbar versierte und gefühlvoll arrangierte Musik. Die neue EP von Lingby muss ich mal auschecken …
Ich war einer der anderen fünf Gäste bei den Guidebooks, ist ja lustig, wie man sich so wiedersieht. Fand die Mugge an dem Abend sehr inspirierend.
Schön dass du dich meldest – mir ging es genauso 🙂